Wenn das innere Kind in der Beziehung übernimmt
Es gibt Tage, an denen all mein Wissen, meine Tools, meine Erfahrungen als Beziehungscoach einfach verblassen.
Und ja – heute war so ein Tag.
Die Kinder sind in den Ferien bei den Großeltern, und der Alltag fühlt sich ein bisschen leichter an. Ich wünsche mir zum Abendessen einen Döner – etwas, das wir sonst eher selten essen und schon gar nicht zu Hause. Aber ja, wenn die Kinder Ferien haben, gelten andere Regeln. Also sage ich: „Hey, ich hätte Lust auf einen Döner.“
Mein Mann fragt: „Jetzt oder später?“
Ich sage: „Jetzt.“
Er fährt los – und kommt zurück mit einer Delle im Auto.
Er hatte beim Ausparken das Blumenbeet übersehen.
Und obwohl ich ganz genau wusste: Ich kann da gar nichts für –
war ich plötzlich klein. Ganz klein.
Die Schuld, die sich leise einschleicht
Ich fühlte mich schuldig.
Alles in mir zog sich zusammen. Enge.
Wieder dieses Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben.
Als hätte mein Wunsch nach einem Döner diesen Schaden ausgelöst.
An diesem Abend war die Stimmung gekippt.
Wir redeten nicht mehr viel miteinander.
Ich war mit meinem Gefühl beschäftigt, etwas falsch gemacht zu haben.
Und mein Mann vermutlich mit seinem.
Er hatte ja schließlich das Blumenbeet übersehen.
Früher wäre ich still geblieben
Ich habe es an diesem Abend nicht mehr geschafft, aus diesem Gefühl von Schuld herauszukommen.
Und doch war etwas anders als früher.
Früher wäre ich einfach nur traurig gewesen – und leise.
Hätte geschwiegen, aus Angst, noch etwas falsch zu machen.
Heute aber wurde mir relativ schnell klar:
Die, die sich hier mit Schuld übergießt –
das bin gar nicht ich.
Das ist mein inneres Kind. Dieses Bewusstsein dafür hatte ich früher nicht.
Und dann kam der Moment der Erinnerung
Am nächsten Morgen war es immer noch da.
Wie ein Gewicht auf meiner Brust.
Ein Stein, der drückte.
Die Schuld saß tiefer, als ich dachte.
Ich erinnere mich:
Ich habe Tools.
Ich habe mich.
Also setze ich mich hin.
Atme.
Gehe in Kontakt mit mir.
Und mit ihr – meiner Kleinen.
Sie, die sich noch immer verantwortlich fühlt, wenn andere wütend oder enttäuscht sind.
Die sofort glaubt: Ich war’s. Ich habe wieder etwas falsch gemacht.
Früher hätte ich tagelang geschwiegen, um bloß keinen weiteren Fehler zu machen.
Heute erkenne ich:
Ich bin nicht mehr fünf.
Das innere Kind ist kein Konzept
Das innere Kind ist kein Konzept.
Es ist ein lebendiges Echo.
Es taucht auf, wenn wir mit alten Wunden konfrontiert werden, die noch nicht geheilt sind.
In Beziehungen begegnen wir nicht nur dem anderen.
Wir begegnen unseren Geschichten.
Unserem Wunsch, es richtig zu machen, um geliebt zu werden.
Die Kraft liegt nicht im perfekten Reagieren
Nicht in perfekten Reaktionen liegt unsere Kraft – die gibt es nicht.
Die Kraft liegt im Erkennen.
Im Innehalten.
Im Bleiben.
Ich kann atmen, wo ich früher geschwiegen hätte.
Ich kann mich halten, wo ich mich früher verloren hätte.
Ich kann sie – mein inneres Kind – in den Arm nehmen.
Und weißt du, was auch schön ist?
Dass mein Mann, obwohl er noch nie ein Coaching gemacht hat, heute auch ganz anders reagiert.
Weicher. Ruhiger.
Weil ich mich verändere – verändert sich auch die Beziehung.
Es ist ein langsames Verlernen
Das ist kein Schalter.
Es ist ein Prozess.
Ein langsames, zärtliches Verlernen dessen,
was einmal überlebenswichtig war.
Denn all unsere Reaktionen haben uns früher geholfen, etwas auszuhalten.
Heute dürfen wir etwas anderes lernen.
Nähe in Beziehungen entsteht nicht, wenn alles harmonisch läuft.
Nähe entsteht, wenn wir bleiben, obwohl es gerade eng wird.
Wenn wir nicht sofort zumachen oder flüchten – sondern kurz atmen, spüren, erkennen.
Wenn wir uns selbst halten – und einander Raum lassen.
Dann wird Beziehung lebendig. Und echt.
Was ich dir sagen will
In meiner Arbeit schaffe ich Räume für genau diese Momente.
Für Frauen, die lange in Beziehungen sind
und nicht mehr funktionieren wollen – sondern fühlen.
Die lernen wollen, wie Nähe geht.
Wie Verbindung geht, auch mit sich selbst.
Wie Beziehung geht – ohne sich selbst zu verlieren.
Wenn da etwas in dir berührt wurde, darfst du dich melden.
Ich begleite dich nicht, um dich zu reparieren.
Nicht, um dich zu verändern.
Sondern um dich zu erinnern:
Du bist wundervoll.
Und deine Kleine braucht dich.